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Abigail

Abigail, bébé avec syndrome de potter

30.3.2002

In der 19. Schwangerschaftswoche führte meine Gynäkologin einen Ultraschall durch. Wir freuten uns, dass wir bald das Geschlechts unseres Kindes erfahren würden, doch was einer der glücklichsten Tage unseres Lebens hätte sein sollen, wurde zu dem Tag, der unsere Existenz für immer verändern sollte.

Die Aerztin meinte, dass etwas nicht in Ordnung sei. Der Kopf war ihres Erachtens zu gross für das Alter der Schwangerschaft und ausserdem hätte ich fast kein Fruchtwasser. Wir sollten dies so bald wie möglich von einem Spezialisten abklären lassen. Wir bekamen ein Rendez-vous für den nächsten Abend. So gingen wir nach Hause. Wir wussten, dass etwas mit unserem Baby nicht in Ordnung war, doch mussten über 24 Stunden warten, bis wir mehr darüber erfahren würden. Die Stunden vergingen im Schneckentempo.

Was wir beim Spezialisten erfuhren, war noch schlimmer, als wir gedacht hatten. Ich hatte überhaupt kein Fruchtwasser mehr, denn mein Kind hatte keine Nieren (Potter Syndrom). Ohne die Nieren kann das Baby nicht urinieren, und Fruchtwasser besteht aus dem Urin des Babys. Ohne Fruchtwasser wiederum können die Lungen des Babys nicht ausreifen und unser Kind würde nicht atmen können nach der Geburt. Mein Mann und ich brachen zusammen nach dieser Ankündigung. Der Spezialist war ziemlich nüchtern. Streng und kalt sagte er nur: "Das ist eine sehr schlechte Diagnose, eine Abtreibung käme in Frage." "Nicht für uns" sagten wir ihm. Gott macht keine Unfälle.

Wir gingen nach Hause und teilten unserer Familie diese schlimme Nachricht mit. So wie mein Mann und ich, meinten alle, dass doch irgend etwas geben müsste um das Leben unseres Babys zu retten. In den folgenden Wochen entschlossen wir uns, den Arzt zu wechseln. Wir wollten einen christlichen Arzt finden, der unseren Glauben teilen, uns nicht zur Abtreibung drängen und alles in seiner Macht Stehende tun würde, um unserem Baby zu helfen. Wir beteten viel, und dann rief eine Tante meines Mannes an. Ein Arzt einer Schwesterkirche hatte sich bereit erklärt uns zu helfen. Wir waren so glücklich. Gott hatte unsere Gebete erhört. Der neue Arzt bestätigte die Diagnose und sagte uns auch, dass es wirlich nichts gab, was einem Kind mit dem Potter Syndrom helfen könnte.

In den nächsten Wochen durchkämmte ich das ganze Internet auf der Suche nach einem Kind mit Potter Syndrom, das überlebt hätte. Ich fand kein einziges.

Wir trafen uns mit zwei Neonatologen, um über unsere Möglichkeiten zu sprechen. Eine Nieren und Lungentransplantation kommt bei Neugeborenen nicht in Frage. Das einzige, was uns blieb war eine wundersame Heilung. Wir beteten und beteten zu Gott während der ganzen verbleibenden Schwangerschaft. Und wenn Gott unser Baby schon nicht heilen würde, so beteten wir darum, dass es wenigstens lebend geboren werden würde, und wir einige Zeit mit ihm verbringen könnten.

Es war sehr schwierig für mich, zu entscheiden, wie ich mich verhalten sollte. Ich wusste zwar, dass es vom medizinischen Standpunkt her nichts gab, was meinem Kind helfen könnte. Doch ich fühlte mich als Rabenmutter. Sollte ich nach der Geburt meines Babys einfach nur sagen: "Lassen sie das Kind in meinen Armen sterben." ?? Gab es wirlich nichts, das ich probieren könnte? Mein Mann und die Aerzte versicherten mir, dass meinem Kind nicht zu helfen sei. Dass lebensverlängernde Massnahmen nur sein Leid verlängern würden. Doch das beruhigte mich nicht.

Ein nettes Ehepaar aus unserer Kirche gab unsere Telefonnummer einer Familie, die vor kurzem ein Baby an einem Chromosomenfehler verloren hatte. Durch Gespräche mit diesen Eltern habe ich realisiert, was ich tun musste. Ich wollte meinem Kind nicht noch mehr Leid zufügen. Es wäre egoistisch von mir, es an Maschinen anzuschliessen, obwohl ich doch genau wusste, dass es ihm nicht helfen würde. Die Geschichte dieser Familie zu hören half uns sehr. Ich danke Gott noch heute jeden Tag für sie, denn ohne ihre Erfahrungen hätten wir nie so viel Zeit mit unserer Tochter verbringen können. Ich werde mich immer an einen Satz erinnern, den der Vater seiner Frau während der Schwangerschaft immer sagte: "Es sind nur wenige Millimeter, die uns von unserem Kind trennen." Wir realisierten, dass unser Baby jetzt mit uns war, in meinem Bauch, dass wir jetzt Zeit mit ihr verbringen konnten und Erinnerungen sammeln. Von da an kam mein Mann jeden Abend vor dem Einschlafen zu mir, kniete sich vor meinen Bauch und erzählte unserem Baby von seinem Tag. Er betete mit ihm und las ihm die Bibel vor. Und so unglaublich es klingen mag, das Baby drehte sich jeweils auf die Seite, wo mein Mann sprach und war immer sehr aktiv. Das tröstete mich sehr.

Am 14. März wachte ich morgens mit Wehen auf. Sie waren nicht sehr stark, aber unangenehm. Ich versuchte sie zu ignorieren, doch vier Stunden später waren sie immer noch da. So rief ich meinen Arzt an, der mir riet ins Krankenhaus zu fahren. Natürlich waren die Wehen nur noch halb so schlimm als ich im Auto sass und im Krankenhaus angekommen, waren sie sogar ganz weg. Wir nahmen dies als eine Warnung Gottes. Wir waren überhaupt noch nicht bereit für die Geburt!! Wir hatten noch gar nichts für unser Kind gekauft. Am nächsten Morgen, nachdem ich meinen Mann zur Arbeit gebracht hatte, ging ich einkaufen. Ich fand eine Decke und hübsche Babykleider. Das einzige, was ich je für mein Kind kaufen würde. Ausserdem fand ich eine Modellmasse, um später dreidimensionale Fussabdrücke machen zu können. Danach waren wir bereit.

Am 30. März weckten mich wieder die Wehen auf. Es war halb sechs Uhr morgens. Da ich dachte, es handele sich wieder um falschen Alarm, nahm ich erstmal ein Bad. Als es nichts half, ging ich zurück ins Bett, wo ich zwischen den Wehen etwas vor mich hin döste. Doch dann hielt ich es wirklich nicht mehr aus. Ich weckte meinen Mann, um ihm zu sagen, es sei soweit. Meine Eltern kamen, um sich um unsere Tochter zu kümmern, und wir fuhren ins Krankenhaus.

Im Krankenhaus angekommen, war mein Muttermund schon drei Centimeter weit geöffnet. Nach einer Stunde schwerer Wehen bat ich um eine Periduralanästhesie. Bei der nächsten Kontrolle war mein Muttermund ganz offen, und inzwischen war auch die ganze Familie angekommen. Meine Mutter, meine Schwester, drei meiner Tanten, meine Grossmutter und mein Schwiegervater. Mein Vater kümmerte sich um unsere Tochter. Mit mir im Raum waren mein Mann, meine Mutter, meine Grossmutter und meine Schwester, die Videoaufnahmen machte.

Als das Personal das Bett für die Geburt herrichtete, realisierte ich auf einmal, dass der Moment gekommen war. Mein Baby würde geboren werden, was aber auch sein Tod bedeutete. Ich weinte, als die Presswehen kamen. Wenn ich jetzt zurückschaue, wünschte ich, dass ich damals darum gebetet hätte, die Wehen zu hemmen. Schliesslich war ich ja erst in der 34. Schwangerschaftswoche. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit meiner Tochter gehabt.

Nach nur 5 oder 6 Presswehen wurde Abigail geboren. Es war der 30. März 2002 um 14:01 Uhr. Sie wog 2070g, nicht schlecht dafür, dass sie 6 Wochen zu früh geboren wurde. Sie hatte unglaublich rote Haare, genau wie ihr Vater. Ueberhaupt war sie sein Abbild. Sie schrie sehr laut nach ihrer Geburt. So laut, dass meine Grossmutter dachte, sie sei gesund, dass sich die Aerzte geirrt hätten. Sie sprang nach draussen und erzählte der wartenden Familie, Abigail gehe es gut. Doch dem war nicht so, mein Mann und ich sahen es ihr an. Ihre Hautfarbe war sehr dunkel und sie hatte den für das Potter Syndrom typischen Gesichtsausdruck. Ausserdem hatte sie einen Klumpfuss, was wir aber erst viel später bemerkten. Ich weinte die ganze Zeit über, und fragte meine Mutter immer wieder: "Warum?". Mein Mann redete Abigail zu. Ich wünschte, ich hätte es ihm gleichgetan. Doch ich war völlig hysterisch. Sie werden sich sagen, dass ich nach all der Zeit eigentlich vorbereitet hätte sein sollen. Doch ich war es nicht.

Abigail lebte etwas mehr als eine Stunde. Ich hielt sie fast die ganze Zeit über in meinen Armen. Natürlich hat auch mein Mann sie gehalten und meine Tochter. Meine Mutter jedoch konnte sie nicht halten. Ich mache mir heute noch Vorwürfe darüber. Meine Mutter war während der ganzen Schwangerschaft für mich da gewesen, und dann konnte sie ihre Enkelin nicht einmal lebend halten.

Bevor sie starb, kam der Krankenhausseelsorger, um sie zu segnen. Es war ein schöner Moment.

Nachdem sie gestorben war, brachte man uns in ein anderes Zimmer. Wir behielten Abigail mit uns bis zum nächsten Morgen. Ich weiss, dass es etwas komisch scheinen mag, doch ich wollte mit meiner Tochter schlafen. Es war schliesslich die einzige Zeit, die ich je mit ihr verbringen würde. Ich wusste, dass sie bereits bei ihrem himmlischen Vater war, doch ich konnte ihren Körper nicht einfach so aufgeben. Während diesen Stunden bekamen wir viel Besuch. Freunde aus der Kirche aber auch entferntere Verwandte. Wir badeten Abigail und zogen ihr die Kleider an, die wir für sie gekauft hatten. Wir machten Hand- und Fussabdrücke, auf Papier und in Modelliermasse.

Es war schwierig, das Krankenhaus am nächsten Morgen zu verlassen. Doch ich musste gehen, sonst hätte ich Abigail niemals hergeben können. Sie war schon über 18 Stunden lang tot, ich musste sie gehen lassen. Im Krankenhaus zu bleiben, wo sie nicht mehr da war, das konnte ich nicht. Ich war hier hergekommen, um ein Baby zu gebären. Wenn das Baby nicht mehr da sein würde, dann ich auch nicht.

Ich denke noch jeden Tag an Abigail. Manchmal erscheint mir alles wie ein Traum. Es geschah so schnell. Die Leute sagen mir, die Zeit heile Wunden. Doch im Moment scheint es mir immer mehr weh zu tun. Die Leute fragen mich: "Wieso haben dich die Aerzte denn gezwungen, das Kind auszutragen?" Wenn ich ihnen sage, dass niemand mich gezwungen hat, sind sie schockiert. Ich glaube ich weiss weshalb. Viele Leute finden es nicht schlimm, einen Fötus zu töten. Doch es war kein Fötus, es war mein Baby. Gott schuf sie aus einem Grund. Auch wenn wir diesen Grund heute noch nicht erkennen, und auch nicht morgen oder sogar am Ende unseres Lebens ; eines Tages werde ich Abigail im Himmel wieder sehen, und dann werde ich vielleicht verstehen, vielleicht...

Wie ich vorher schon geschrieben habe, Gott macht keine Unfälle. Es war sein Wille, dass Abigail nur für eine Stunde mit uns war. Doch in dieser Stunde berührte sie so viele Herzen. Meines zuerst. Ich bin ein besserer Mensch geworden. Eine Abtreibung hätte uns nur die wertvolle Zeit mit unserer Tochter gestohlen.

Was die Wunder angeht, für die wir gebetet haben ; das Wunder, an dem uns am meisten lag, trat nicht ein. Doch das grösste aller Wunder geschah: unser Baby ist nun im Himmelreich unseres Vaters. Gelobt sei unser Herr Jesus Christus!

Chrystal

 

 

Letzte Akutalisierung dieser Seite: 03.03.2020